Selektive dorsale Rhizotomie (SDR)

Die selektive dorsale Rhizotomie (SDR) ist ein neurochirurgisches, operatives Verfahren.
Ziel dieses Verfahrens ist Spastikreduktion (die Reduktion der Spastik) des zerebralen Ursprungs. Hauptsächlich wird diese Technik bei Kindern mit bilateraler Zerebralparese, aber auch bei tetraspastischen Patientinnen und Patienten angewendet.
Wenn die willkürliche Bewegung der unteren Extremitäten durch Spastik eingeschränkt wird, wird auch gleichzeitig die Kräftigung der Muskulatur in diesem Bereich erschwert. Das bedeutet, dass die spastische Muskulatur nicht nur steif, sondern auch noch geschwächt ist.
Die selektive dorsale Rhizotomie (SDR) ist ein mikrochirurgischer Eingriff.

Es kommt zu einem minimalen Zugang zur Wirbelsäule (ca. 5 cm langen Schnitt auf der lumbalen Höhe). Über den Wirbelkanal kommt es zur Eröffnung einer gemeinsamen Hülle der Nervenwurzeln und des Rückenmarkes, um den Zugang zu der unteren Körperhälfte ziehenden Nerven am Rückenmark zu erreichen.

Mit den Kunststofffolien werden verantwortliche für die Übertragung der Spastik afferente Nervenwurzeln isoliert. Deren Funktion wird mithilfe elektrischer Impulse gemessen. Nach der Bewertung des Antwortsignals unterbricht der Chirurg unter dem Mikroskop alle afferente Nervenwurzeln-Fasern, die besonders viele spastische Impulse über die efferenten Nervenwurzel an die Muskeln übertragen. Die Nervenwurzeln, die weniger betroffen sind werden geschont, um die Funktionsfähigkeit aller Wurzeln aufrechtzuerhalten.

Nach der SDR, wenn Die Spastik verschwunden ist, empfindet der Patient zunächst besonders stark eine Schwäche in den Beinen. Die Beine sind nicht mehr steif, aber auch nicht kräftig. Der mögliche Muskelkraftaufbau braucht Zeit. Die alten Informationen über das Körperschema und die Bewegungsqualität sind auch noch im Gehirn abgespeichert.

Die spezialisierte, physiotherapeutische postoperative Betretung ist sehr wichtig und sollte noch vor dem Eingriff eingeplant werden.

Wir haben in unserem TheraReha Zentrum zahlreiche Patienten nach der SDR betreut. In der postoperativen Therapie nach SDR ist für uns wichtig, dass der Patient neue Informationen über den eigenen Körper verstärkt und schnellstmöglich wahrnimmt.

Zu großer Bedeutung ist für uns auch die Umschulung von „alten “ Schemata der motorischen Fähigkeiten. Die komplexen Bewegungsabläufe gewinnen an Qualität.
Der Muskelaufbau findet auf einer neuen Basis statt. Neue motorische Flächigkeiten können entwickelt werden. Für einige Patienten kann, dass, das Krabbeln oder das Sitzen sein, für die anderen das Laufen.

Wir halten als besonders wichtig das Körper Alignement zu verbessern, mehr Symmetrie zu erzielen, (erst) viel bewusster mit seinem eigenen Körper zu agieren und demnächst mehr Automatisierung zu schaffen.
Wenn das Kind vor der SDR laufen konnte, kann der Gang nach dem Eingriff mehr Sicherheit, Symmetrie, Qualität in Gangphasen erreichen, die Schrittlänge kann ausgleichen werden. Der Gang kann flüssiger und optisch, schöner werden. Nach dem Gewinn der Muskelkraft sollte die Ausdauer trainiert werden. Alles aber mit voller Achtung auf die Qualität.

Die bessere Distribution der Körperenergie, kann auch zu den sekundären Verbesserungen z.B. der Rumpfkontrolle, Handfunktion, Sprache und Konzentrationsleistung führen.
Die gezielte postoperative Therapie ist entscheidend um das Potential des Patienten nach der SDR auszuschöpfen und weiterzuentwickeln.

Es ist möglich, dass nach der SDR vorhandene Hilfsmittel neu angepasst werden oder ausgetauscht werden. Gerne unterstützen wir unsere Patienten dabei.

Literatur:

Dudley RKW, Parolin M, Gagnon B et al. (2013) clinical articel Long-term functional benefits of selective dorsal rhizotomy for spastic cerebral palsy.
H. Bächli, J. Lütschg & T. Dreher
Pädiatrische Neurochirurgie Spastik bei Kindern: Selektive dorsale Rhizotomie
Gaskill Sarah J., Marlin Arthur E. Neurologia i neurochirurgia dziecięca
R. Holtz: Therapiehilfen und Alltagshilfen für zerebralparetische Kinder
A. Ferrari, G. Cioni: Infantile Cerebralparese – Spontaner Verlauf und Orientierungshilfen für die Rehabilitation.
B. Bobath, K. Bobath: Die motorische Entwicklung bei Zerebralparesen.
R. Feldkamp, D. van Aufschnaiter, J. U. Baumann: Krankengymnastische Behandlung der Infantilen Zerebralparese.
M. Feldkamp: Das zerebralparetische Kind. Konzepte therapeutischer Förderung.
F. Heinen (Hrsg.): Botulinumtoxin bei Kindern mit Cerebralparese.
Therapieverfahren bei infantilen Cerebralparesen (Materialsammlung) Bezugsadresse.
F. Miller, S. J. Bachrach: Cerebral Palsy: A Complete Guide for Caregiving. For family members and health care professionals.
Baclofenpumpe
Bei einer Tetraspatik (Spastik aller vier Extremitäten) ist die Behandlung zur Muskelentspannung in erster Linie medikamentös möglich. Verschiedene Medikamente stehen zur Verfügung, um entweder direkt in den Muskel gegeben zu werden oder als Tabletten eingenommen werden können. Dies kann entweder in der Wirkung nicht ausreichend sein oder es kommt zu systemischen Nebenwirkungen. Für diesen Fall stehen Medikamentenpumpen zur Verfügung.

Die Baclofenpumpe ist eine Medikamentenpumpe, welche eine muskelrelaxierende Substanz in den Rückenmarkskanal geben kann. Die Dosierung und Infusionsrate kann hierbei variabel reguliert werden. Durch die Gabe des Medikamentes in die direkte Umgebung des Nervengewebes, ist es möglich, die muskelrealisierende Wirkung zu verbessern und die systemischen Nebenwirkungen zu vermindern. Die Baclofenpumpe muss in einer Operation implantiert werden. Die Betreuung der Patienten erfolgt in Kooperation mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum der Charité.
Da bis zu 60 Messungen notwendig sind kann der Eingriff mehrere Stunden dauern. Danach wird die Dura genäht und die Wunde schichtweise verschlossen. Die Haut wird mit einem selbstauflösenden Faden kosmetisch genäht.